Mittwoch, 24. Februar 2010

Doppelpunkt, Klammer auf.

Meine jahrelange Abstinenz bezüglich der virtuellen Flirtoption wurde innerhalb eines 48-stündigen Crashkurses zum Thema Emoticons und ihre Fehlinterpretation einfach vom Desktop geklickt. Kaum hatte ich ein den Anforderungen entsprechendes Bild hochgeladen, war ich auch schon offizielles Mitglied jener Online-Singlebörse, die mit großen Gefühlen auf nicht minder großen Plakatwänden wirbt.
Ididntknow, Kissmeifyoucan und F-Hainer hatten sich als potentielle Kommunikationspartner ganz gut geschlagen – und doch kamen sie nicht in die nächste Runde, denn: Wer auf dem Jahrmarkt der Eitelkeiten nach tiefgründigen Gesprächsthemen und spannenden Persönlichkeitsanalysen sucht, ist definitiv fehl am Platz. Oberstes Gebot einer jeden Internetplattform: Oberflächlichkeit!
Bereits in der Anmeldephase wird fortwährend darauf hingewiesen, dass ein Profil mit aktuellem Bild die Klickrate um ganze 70% steigert. Was wir also in der realen Welt als intolerant, kurzsichtig und äußerst abgedroschen empfinden, erfreut sich im WWW größter Beliebtheit. Die Profile werden nach geschmacksspezifischen Stereotypen gescannt und bei Nichtgefallen einfach weggeklickt – eine soziale Konfrontation mit einem unzumutbaren Traumpartner kommt somit erst gar nicht zustande und erleichtert den Suchenden ihr tägliches Fristen als scheinbar ambitionierte Beziehungsmenschen.

Dienstag, 23. Februar 2010

Sale!

Zwischen flüchtigen Small-Talk-Schreibereien via Netz-internen Mails verschickt man lächerlich-gelbe Smilies, um das Eis zu brechen oder lädt gleich zum direkten Privatchat ein; ähnlich wie beim Onlineshopping wird auch in der Welt des Cyberflirts die Ware erst auf ihr Erscheinungsbild geprüft, anschließend holt man sich ein paar Material-Infos ein – und dann wird geklickt. Doch leider ist die Auswahl wie am letzten Tag des Sommerschlussverkaufs eher rar: Ein paar Teile sind dabei – nur leider kneifen sie meist hier und da ein wenig.

Neu.de

Meine Meinung über Online-Singlebörsen hatte sich bereits vor einigen Jahren irreparabel in meinen Kopf gebrannt: Wer sich im Cyberspace in Sachen Liebe versucht, scheint schwer vermittelbar in der realen Welt – und das aus gutem Grund!
Nach einigen ziemlich enttäuschenden Belegen für diese These beschloss ich, dem Internet jegliche Chance auf ein Eingreifen in meine Flirtaktivitäten zu verweigern. An diesem Prinzip hielt ich auch eine ganze Zeit lang fest – bis eines Abends das Telefon klingelte und S. mir etwas überschwänglich von einem virtuellen Hottie berichtete, auf den sie im WWW gestoßen war. Zu meiner Verwunderung war S. selbst seit einigen Wochen Mitglied einer natürlich äußerst vielversprechenden Singlebörse, die multimedial mit der Geiselnahme all der verschollenen Seelenverwandten prahlt.
Nach einer langen Debatte über den Grund ihres Portalbeitritts und einer ausführlichen Bewertung des Sixpacks vom blonden Surferboy, entschloss ich kurzerhand meine Prinzipien für eine Woche über Bord zu werfen und klickte mich nur wenige Minuten später durch die Bildergalerie des Online-Flirtportals. 
Entsprechend meiner äußerst niedrigen Erwartungen switchte ich von einem Pseudo-Profil zum nächsten; stets getreu dem Motto:
Image ist das, was man braucht, damit die anderen denken, dass man so ist, wie man gerne wär.
Der Ausschuss scheinbar Bindungs-minderbemittelter Internetlover präsentiert sich dort von seiner besten Seite – jeder zeigt eine perfektionierte Version seines Ichs und geizt erst recht nicht mit herausragenden Eigenschaften, Hobbies oder einer mehr oder weniger reflektierenden Selbsteinschätzung.
Plötzlich tummeln sich männliche Wesen, die Spaziergänge an Sonntagen lieben und Treue und Ehrlichkeit als ihr Steckenpferd sehen, neben hocherotisierenden Frauen, deren Schmerzgrenzen bis aufs Niedrigste heruntergefahren zu sein scheinen und die eine schier grenzenlose Kompromissbereitschaft anbiedern – Es könnte das Eldorado der Pärchenfindung sein…