Donnerstag, 27. September 2012

Boat Trip


Vieles ist leichter als es aussieht. Aber manchmal, da ist es auch schwieriger als gedacht. Und dann gibt’s blankes Chaos im Kopf. Zahllose Wenns, Hättes und Abers drehen sich im Kreis und energisch geschwungene Fragezeichen reichen sich verzweifelt die Hände. Die Antwort? Offen, ungenau und nicht vorhanden. 


Wir haben die Wahl: Wir können den harten, steinigen Weg des Ergründens gehen. Uns in den engen, von der letzten Tortur noch feuchten Neoprenanzug zwängen, um wieder mal durch die Tiefen unserer Selbst zu tauchen. In der Hoffnung, auf etwas zu stoßen, Licht zu finden oder wenigstens den verdammten Schalter dafür. Das ist anstrengend, ermüdend und in den meisten Fällen auch irgendwie aussichtslos. Aber es lenkt ab. Weil wir, während wir unser Innerstes nach Kommata, Punkten und Ausrufezeichen abtasten, damit beschäftigt sind, die Finger dafür zu kreuzen, nicht noch mehr Treibmüll zu finden. 
Doch es besteht auch die Möglichkeit, etwas Neues auszuprobieren. Etwas nahezu Revolutionäres: Wir könnten das miefige Taucherding einfach hängen lassen, um uns an den Rand zu setzen und auf das uns ansteuernde Boot zu warten. Klar, wir sind schon eine gefühlte Millionen Mal gekentert. Und jedes Mal mindestens ein Mal zu viel. Sicher: Das Wasser war kalt, richtig kalt. Und der Weg, den wir zurücklegen mussten, um endlich wieder Boden unter den Füßen zu haben, hat uns einen Mordsmuskelkater im Herzen beschert. Aber das Gefühl von Wind im Haar, Beine im Wasser und Salz auf den Lippen ist wertvoll. 
Und manchmal ist das, was nicht leichter war als es aussah, sondern tatsächlich schwieriger als gedacht, nur die Vorstufe von dem, was schöner wird als man es je erwartet hätte.

Freitag, 14. September 2012

Spring!


Es sind die verschiedensten Dinge, die meinen Verstand von Zeit zu Zeit nicht greifen lassen. Warum meine Wimpern, bei identischer Mascara und nahezu deckungsgleichen Lichtverhältnissen, in jedem Land anders aussehen. Oder warum mich Blicke in meinem sonntäglich geheuchelten Sport-Alibi-Outfit bestätigen und in meinem Lieblingsrock hingegen verunsichern. Oder warum ich, völlig willkürlich auftretend, das unbändige Bedürfnis verspüre, urplötzlich ganz schnell rennen zu müssen, wenn niemand hinsieht. Das alles und unter anderem verstehe ich nicht; habe ich nie und werde ich vielleicht auch nicht mehr. Aber damit kann ich leben.
Anders verhält es sich mit der komplexen Thematik um Leichtigkeit. Ein schwieriges Thema. Denn während mich Herzensmenschen mahnen, „es einfach laufen zu lassen“ oder „erst einmal zu schauen“ und mir professionelle Stimmen raten, „sich alles von selbst“ fügen zu lassen, habe ich mich nach jahrelanger Abstinenz von Einfachem schützend in den Tiefen von Zynismus, Sarkasmus und auch ein bisschen Sadomasochistischem vergraben. Weil das eben auch eine dieser Sachen ist, die ich nicht verstehe: es einfach „einfach“ sein zu lassen. Ja, wie verdammt?
Das Leben konditioniert uns. Und ich bin mir nicht sicher, wie viel Eigeninitiative darin steckt. Schließlich hatte Pawlow den Spucke-Reflex bei einer ganzen Reihe von Hunderassen auslösen können. Doch teilten sie eine Gemeinsamkeit: den Zwinger. Natürlich; hätte sich ein freilebender Hund auch niemals auf das Läuten der Glocke konzentriert, da er seine Nahrungsaufnahme selbst bestimmt. Sitzen wir also vor dem leeren Napf und sabbern beim Klingeln oder streunern wir, auf der hoffnungsvollen Suche nach Beute?



Die Frage klingt stark nach „entweder … oder …“, so einfach ist das aber nicht. Für eine Zeit lang hält sich wohl jeder ganz gern im Zwinger auf: Spuckefäden hin oder her – wir können zumindest ruhen. Der entscheidende Punkt ist, dass wir die Option des jeweils Anderen nicht aus den Augen verlieren. Manchmal geht es im Leben nicht darum, sich für den Rest des Lebens zwischen A und B entscheiden zu müssen, sondern um die Balance der beiden Wahlmöglichkeiten. Darum, den Ausgleich zu wahren: wenn die Tür offen steht, den Schritt zu wagen. Der Sprung ins Ungewisse ist nämlich nicht nur ungewiss, sondern zerzaust auch Haare, lässt Raupen im Bauch zu Schmetterlingen werden, kitzelt einen unkontrollierten Aufschrei aus uns heraus – gefolgt von himmlischer Leere in unserem Kopf. Denn alles konzentriert sich auf das Jetzt.
Und das ist sie vielleicht: die Leichtigkeit. Nichts zu wissen, aber alles zu hoffen. Zu fallen ohne Angst zu haben – pures Aufgeregtsein. Weil es darum geht, uns selbst zu befreien. Immer wieder aufs Neue.

Samstag, 1. September 2012

Herz über Kopf


Manchmal tun wir Dinge, von denen wir ausgingen. Und manchmal jene, die uns überraschen. Einige erfordern Mut, andere genügend Pinot Grigio. Ehe du dich versiehst, findest du dich in einem Moment des Adrenalinüberschusses wieder, der dich erbarmungslos dazu zwingt, deinen Kopf aus- und das Herz anzuschalten. Weil die emotionale Intelligenz ein Steckenpferd ist – für all die, die sie zu entschlüsseln wissen. Und für all die, die mit ihr blind Achterbahn fahren. Nur nicht für die Lebens-Konstrukteure, die mit dem großen Plan und der unermüdlichen Verwirklichung dessen. Sie finden sich nicht um Mitternacht mit dem letzten Sahnetortenstück schlaftrunken im Bett wieder oder noch später tauchend im Pool, bei strömendem Regen und splitternackt. Und sie treffen sich auch nicht heimlich mit dem Hotelpersonal, nur weil sein Hintern, die Oberarme, ...


Das kann erschreckend sein. Weil du dich nicht wiedererkennst, weil du zweifelst und denkst. Weil du die vielen Probleme siehst, die es mit sich bringen wird. Weil du doch eine Kleidernummer verlieren wolltest. Weil deine Haare luftgetrocknet viel zu kraus sind. Weil es nur ein Tanz ist. Weil niemand es versteht, weil es noch nie jemand verstand. Weil du es anders erwartet hättest. Weil es anders sein könnte.
Aber es ist so. Und es macht Spaß, unheimlich!