Freitag, 14. September 2012

Spring!


Es sind die verschiedensten Dinge, die meinen Verstand von Zeit zu Zeit nicht greifen lassen. Warum meine Wimpern, bei identischer Mascara und nahezu deckungsgleichen Lichtverhältnissen, in jedem Land anders aussehen. Oder warum mich Blicke in meinem sonntäglich geheuchelten Sport-Alibi-Outfit bestätigen und in meinem Lieblingsrock hingegen verunsichern. Oder warum ich, völlig willkürlich auftretend, das unbändige Bedürfnis verspüre, urplötzlich ganz schnell rennen zu müssen, wenn niemand hinsieht. Das alles und unter anderem verstehe ich nicht; habe ich nie und werde ich vielleicht auch nicht mehr. Aber damit kann ich leben.
Anders verhält es sich mit der komplexen Thematik um Leichtigkeit. Ein schwieriges Thema. Denn während mich Herzensmenschen mahnen, „es einfach laufen zu lassen“ oder „erst einmal zu schauen“ und mir professionelle Stimmen raten, „sich alles von selbst“ fügen zu lassen, habe ich mich nach jahrelanger Abstinenz von Einfachem schützend in den Tiefen von Zynismus, Sarkasmus und auch ein bisschen Sadomasochistischem vergraben. Weil das eben auch eine dieser Sachen ist, die ich nicht verstehe: es einfach „einfach“ sein zu lassen. Ja, wie verdammt?
Das Leben konditioniert uns. Und ich bin mir nicht sicher, wie viel Eigeninitiative darin steckt. Schließlich hatte Pawlow den Spucke-Reflex bei einer ganzen Reihe von Hunderassen auslösen können. Doch teilten sie eine Gemeinsamkeit: den Zwinger. Natürlich; hätte sich ein freilebender Hund auch niemals auf das Läuten der Glocke konzentriert, da er seine Nahrungsaufnahme selbst bestimmt. Sitzen wir also vor dem leeren Napf und sabbern beim Klingeln oder streunern wir, auf der hoffnungsvollen Suche nach Beute?



Die Frage klingt stark nach „entweder … oder …“, so einfach ist das aber nicht. Für eine Zeit lang hält sich wohl jeder ganz gern im Zwinger auf: Spuckefäden hin oder her – wir können zumindest ruhen. Der entscheidende Punkt ist, dass wir die Option des jeweils Anderen nicht aus den Augen verlieren. Manchmal geht es im Leben nicht darum, sich für den Rest des Lebens zwischen A und B entscheiden zu müssen, sondern um die Balance der beiden Wahlmöglichkeiten. Darum, den Ausgleich zu wahren: wenn die Tür offen steht, den Schritt zu wagen. Der Sprung ins Ungewisse ist nämlich nicht nur ungewiss, sondern zerzaust auch Haare, lässt Raupen im Bauch zu Schmetterlingen werden, kitzelt einen unkontrollierten Aufschrei aus uns heraus – gefolgt von himmlischer Leere in unserem Kopf. Denn alles konzentriert sich auf das Jetzt.
Und das ist sie vielleicht: die Leichtigkeit. Nichts zu wissen, aber alles zu hoffen. Zu fallen ohne Angst zu haben – pures Aufgeregtsein. Weil es darum geht, uns selbst zu befreien. Immer wieder aufs Neue.

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