Montag, 15. Oktober 2012

Vom Klingeln und Klopfen


Der erste Eintrag im Telefonbuch zu sein ist nicht leicht. Denn es ist immer das Erste, was jemand sieht, wenn er vielleicht jemand ganz anderen sucht. Das macht unvergesslich. Und manchmal vielleicht sogar unbeliebt. Überdrüssig zu werden ohne überhaupt anwesend zu sein – hohe Kunst und unsagbar gemein. Das ist auch die Tatsache, jeden Anruf, jede SMS mit einem „Oh...das war ein Versehen!“ gerechtfertigt wissen zu können. Wenn dich also nachts der süße Typ aus der Bahn anruft, kannst du dir nicht sicher sein, ob er das tut, weil er gerade unsterbliche Sehnsucht nach dir hat, betrunken ist (und unsterbliche Sehnsucht nach dir hat) oder ganz einfach nur betrunken ist – und beim sich Übergeben zwei Mal nacheinander auf die grüne Taste kam. 
Mit dieser Bürde lebend, eignet man sich eine gewisse Grundskepsis an. Man kennt es ja. Und weiß schließlich nie. Wie bei der Türklingel: Wer zwei von drei Malen zur Sprechanlage hastet, um dann entweder niemanden zu sprechen oder mal wieder ein Paket für den Nachbarn annehmen zu müssen, kennt sie auch, diese Skepsis. So passiert es, dass nicht nur jeder Telefonanruf, sondern auch das Klingeln an der Tür kritisch hinterfragt wird. Die Folge? Das Telefon wird stumm gestellt, das Summen der Klingel ignoriert – oder der Hörer ausgehängt. Gleichgültigkeit macht sich breit. Die Enttäuschung hat die Neugier überholt, die Skepsis die Hoffnung abgehängt. Und wir laufen Gefahr, es zu verpassen, das neue Fremde. Selbst wenn es direkt an unserer Tür klopft.

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