Mittwoch, 16. Juni 2010

Meine Liebe zu Fertiggerichten.

Meine Kochkünste sind schlecht. Bemerkenswert schlecht. Um nicht zu sagen: entsetzlich. Bereits im Alter von zwölf Jahren musste ich feststellen, dass ich weder Wasser noch Milch ohne größere Naturkatastrophen zum Kochen bringen kann und auch acht Jahre später setzt sich Murphys Gesetzt in puncto kulinarischer Zubereitung regelmäßig in meinem Leben durch.
Aus diesem Grund beschloss ich auch, die Küche selbst ganz offiziell aus meinem gewohnten Lebenswohnraum auszuschließen und nahm eine Umfunktionierung ihres Ursprungsgedanken vor: Sie dient mir nun vorrangig als Abstellkammer und Lagerraum von noch nicht ausgepackten Umzugskartons, Einkaufstüten und Werkzeug (nicht, dass ich dafür jemals Verwendung fände! – zumindest nicht mehr als für all die Töpfe, Pfannen und Auflaufformen, die mir meine liebste Mama mit in die eigenen vier Wände gab, voller Hoffnung, ich würde sie eines Tages tatsächlich benutzen).
Endlosdiskussionen mit Kochbegeisterten münden daher meist in einem schwerwiegenden Eklat, der weder mich noch meinen Gegenüber von seinem Standpunkt abweichen lässt. Ausgehend von dieser Erfahrung, ließe sich vermuten, meine Verteidigung für Mikrowellen-Essen und sonstige Fertiggerichte würden einem gelernten Koch wohl mehr als nur auf den Magen schlagen. Doch nicht Kevin! Ganz im Gegenteil: Er bot mir freundlichst ein paar Privatstunden höchster Kochkunst bei ihm zu Hause an – und ich lehnte dankend ab.
Warum? Ganz einfach: Kevin war ein noch nicht ganz angekommener Mittzwanziger, der seine Freizeit Gitarre spielend im sonnigen Park verbrachte und die Leidenschaft zum Kochen nach einem abgebrochenen Bauingenieursstudium in einem angesagten 5-Sterne-Restaurant in Berlin-Mitte entdeckte. Außerhalb verdampfter Küchen und grüner Wellness-Oasen betrieb Kevin Kampfsport – irgendeine Box-Tret-Schlag-Kombination, deren Name mir zu merken vor lauter schrillen Vokalen schlichtweg unmöglich schien. Im gleichen Atemzug erklärte Kevin mir jedoch, dass er natürlich keinesfalls einer dieser prolligen Schlägertypen sei – er ging von der Annahme aus, dass sich zu prügeln in der heutigen Zeit prinzipiell nicht mehr zeitgemäß sei. Und warum dann Kampfsport? „Als Ausgleich. Für Geist und Seele.“ – Aha.
Dass er dies anscheinend jedoch auch für seinen Körper tat, lies sich zweifellos erkennen: perfekt definierte Oberarme, breite Schultern. Mit seinem dunkelblonden Haar und den grünen Augen machte er einen wirklich kühnen Eindruck. Und das wusste er. Leider.
„Um von den Leuten auf bestimmte Weise wahrgenommen zu werden, brauchst du nur das richtige Image.“ – Und wie klug er war! „Nimm beispielsweise mich: Ich trainiere wirklich hart – mit all den Kicks und Punches – und doch komme ich nie dazu, mein Gelerntes anzuwenden. Ein Blick von mir genügt, um meinen Gegenüber einzuschüchtern.“ - Bei dieser Aussage fühlte ich mich so unwohl, dass ich mich vor lauter Fremdschämen innerlich nur so wand. Denn: Es ist die eine Sache, wenn eine Frau einen Mann aufgrund seiner umwerfenden Fähigkeiten bewundert – und es ist die andere, wenn er ihr das in ausführlichster Bebilderung erklären muss.
Vom Epilog über den Sinn und Unsinn körperlicher Gewalt kamen wir zu seinem eigentlichen Fachgebiet: dem Kochen. Ich setzte alles daran, das thematische Ruder rumzureißen – vergebens. Mir blieb nichts weiter übrig, als es über mich ergehen zu lassen: Stundenlange Vorträge über Gemüsefonds, Pasta-Saucen und Sahne-Aufläufe waren das Resultat.
Und wie ich ihn so reden hörte, wurde mir bewusst, wie sehr ich mich anstrengen musste, nicht komplett in demonstratives Desinteresse zu verfallen. Es war belastend. Er war belastend; aufwendig wie ein Drei-Gänge-Menü der Haute Cousine – und dafür genügten meine Fähigkeiten nicht, weder die kommunikativen noch die kochtechnischen.

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