Dienstag, 26. Juni 2012

Mach das Fenster auf!


Niemand kann uns helfen, außer wir selbst. Diese Erkenntnis hat das Potential, zur zerstörerischsten sowie bittersten des eigenen Lebens zu werden. Oder aber auch zum realistischsten emotionalen Arschtritt, den eine verlorengegangene Seele bekommen kann.
Es ist ein feindseliges Gefühl, an diesem Punkt angelangt zu sein, an dem man keine Wahl mehr hat; an dem jeder Weg nur eine weitere miese Alternative ist. Es steht alles offen, doch kamen wir uns nie gebundener vor.
Das ist der Moment, in dem wir inständig hoffen, jemand käme uns zur Hilfe: ein Prinz auf weißem Pferd, der Antiheld mit Latexmaske, die Blondgelockte in Engelsgestalt, der Selbstlose, die noch Selbstlosere, die Liebe, Wut, Hass – irgendetwas. Doch das ist nicht, was passieren wird.
Wir können also weiter in der Ecke kauern, mitleidig das Gesicht verziehen und uns der Illusion hingeben, irgendwann eine starke Hand gereicht zu bekommen. Oder aber aufstehen und einfach gehen. Welchen Weg? Ganz egal. Belohnt werden wir durch ein Gefühl. Welches? Es ist egal! Scheint doch so ziemlich jedes besser, als ein deprimiertes Schluchzen des eigenen Seins.
Aussichtslosigkeit ist nicht existent, sie passiert nur dann, wenn wir nicht hinsehen. Also: Mach mal wieder ein Fenster auf und lass die Möglichkeiten rein.


Montag, 18. Juni 2012

It was a perfect storm


"[...] It's a big bad world full of twists and turns and people have a way of blinking and missing the moment. The moment that could have changed everything. I don't know what's going on with us, and I can't tell you why you should waste a leap of faith on the likes of me. But damn you smell good, like home. And you make excellent coffee. That's gotta count for something, right? [...]"


Freitag, 8. Juni 2012

Etwas über das Vermissen

Es gibt für alles eine Erklärung. Das haben wir gelernt. Und Wissenschaftler, Forscher, Tüftler und Experten setzen einiges daran, diese These aufrecht zu halten. Darum ist Liebe nicht mehr als Serotoninüberschuss und Liebeskummer der Entzug dessen. Für die hoffnungslosen Romantiker ist das vielleicht ernüchternd, für die hoffnungslos „Verliebten“ jedoch der Untergang. Denn wenn unsere Gefühle nicht nur geistig nicht steuerbar sind, sondern sich auch unkontrolliert durch Dritte beeinflussen lassen, ist unser Herz eine autonome Institution, die uns wahlweise auf Wolken oder durch die Hölle schickt – je nachdem. Und weil „je nachdem“ schwammiger nicht sein könnte, müssen wir ständig auf der Hut sein, vor der Liebe und ihrer Entourage von Schmerz, Sehnsucht und Einsamkeit.
Doch egal, wie sehr wir uns auch sträuben, im ungeschicktesten Zeitpunkt überrollt uns die Lawine von Adrenalin und Dopamin und wir sind unfähig, uns zu wehren. Solange die Pegel ihren Maximalwert halten, erfreuen wir uns noch am Hormonüberschuss und könnten wohl nicht „glücklicher“ sein. Verlässt uns aber unser Reiz-Objekt, ist der Aufprall hart. Denn leider gibt es für Lieben-Gelassene kein Methadon-Programm. Der kalte Entzug steht bevor und damit eine der großen psychischen Belastungen des menschlichen Geistes: das Vermissen.


Dass so ein „Cold Turkey“ echt ätzend ist, wissen wir spätestens seit „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“. Und es gibt mehr Gemeinsamkeiten, als uns beim Anblick der strähnigen Haare und der unreinen Haut von Christiane lieb ist: Flüssigkeitsverlust, Halluzinationen, Depressionen. Man sagt, man benötigt die Hälfte der Zeit, die es gedauert hat, bis es vorbei ist. Wer die hinter sich hat, weiß: Das ist Quatsch. Es dauert eben solang wie es dauert. Und es muss mindestens eine halbe Millionen Mal vorbei sein, um sein Ende zu finden. Wir werden nicht geheilt, sondern sind im besten Fall nur irgendwann „trocken“. Danach laufen wir tagtäglich Gefahr, einen Rückfall zu erleiden und sind gezeichnet von der Anstrengung, uns immer wieder erneut wehren zu müssen.
Besonders verhängnisvoll sind Straßen, Plätze und Lieder, die uns im Alltag begegnen. Nicht alle emotionalen Hinterlassenschaften passen in einen entflammbaren Schuhkarton. Ihnen Stand zu halten, bedarf einer ungemeinen Portion Stärke. Weil wir ihnen nicht entkommen können. Und plötzlich wieder mittendrin sind: im ersten Date, im ersten Kuss, in der ersten Taxifahrt, nach Hause, mit verlaufenem Mascara. Dieser Moment ist entscheidend – sind wir wirklich schon soweit? Können wir den Whiskey Whiskey sein lassen und ohne weiteres zum Wasser greifen? Wer diese Frage mit einem Schulterzucken beantwortet, ist noch ziemlich am Anfang dieses Horror-Trips. All die, die wissen, dass sie es nicht können, wissen nämlich wenigstens das.

Donnerstag, 7. Juni 2012

Manchmal macht es nicht „Bäm!“ – sondern „B…ä…m“

 
Mit „Crash! Boom! Bang!“ trafen es Roxette Mitte der 90er so ziemlich auf den Kopf. Sie benannten gleich ein ganzes Album nach diesem Gefühl, das dich rücklings packt und zu Boden wirft. Keine Luft mehr kriegen, weiche Knie, sich aufführen wie ein Volltrottel – ein fantastisches Gefühl. Und noch viel besser: Man weiß weder, warum genau, noch wie lange das jetzt anhalten wird. Ist ja auch egal; vermutlich für immer. Oder zumindest bis zur Hälfte.
Doch was passiert, wenn es kein „Bäm!“ gibt? Wenn uns nichts „die Schuhe auszieht“, uns rasendes Herzklopfen verpasst? Wenn da nicht dieses Kribbeln in den Fingern ist, die hektisch Nachrichten ins Handy tippen und danach doch zu feige sind, sie abzuschicken, und unser Verstand auch nicht überall Doppelgänger enttarnt oder das zumindest will? Ist es zwingend keine Herzenssache, wenn eventuell-Nachrichten erst gar nicht in Frage kommen und sich Sexträume ausschließlich um Sex drehen – ohne Vorgeschichte und Nachspiel?


Wir können Menschen aus den verschiedensten Gründen mögen: weil sie charmant sind, so unglaublich intelligent, uns zum Lachen bringen, verworrene Sätze verstehen, bevor wir sie überhaupt beendet haben, weil sie wissen, das Richtige zu sagen und in den richtigen Momenten die Klappe zu halten, weil sie unseren Chardonnay-Konsum teilen, unsere Küche deflorieren oder die perfekte Mischung aus „Ich brauche meinen Platz im Bett!“ und „Ich will deinen Körper: hier, jetzt!“ finden. Körperliche Sympathie kann entstehen, wenn aus Diskussionen über Weltpolitik und Sozialpsychologie heißes Aneinanderreiben wird und findet seine Bestätigung, wenn die Finger nicht mehr auf der eigenen Seite des Bettes bleiben, hätten sie doch die Möglichkeit. Und trotzdem können wir nach Hause gehen, Wäsche waschen, den Abwasch machen oder seelenruhig unsere Schuhe sortieren, ohne, mit Freundin am Ohr, den Schallplatten-Hänger mit seinem Namen in Endlosschleife abzuspielen. Kann dann „mögen“ genug sein?
Vielleicht ist es eine Theorie, die sich mit dem Wachsen und Reifen rund um das L-Wort bestätigt. Denn wer nicht wagt, der nicht gewinnt, wer nichts riskiert, hat keinen Spaß und wenn wir dadurch nicht schon gestorben sind, langweilen wir uns noch heute. Haben wir also unser Kontingent an Crashs, Booms und Bangs ausgeschöpft, gab es da schon die Zahl x, die uns hätte zeigen sollen, dass alles Verknallen und Verzücktsein letztendlich in großem Nichts endete, sollten wir es besser wissen. Doch tun wir nicht. Bis uns jemand sagt, der immer zwei Jahrzehnte weiser sein wird als wir selbst, dass es sich auch entwickeln kann. Weil es manchmal eben nicht „Bäm!“ macht, sondern „B…ä…m“.