Wir sind Gefangene: in einem Turm, den wir selbst hinaufstiegen, um hinter uns die Tür zuzuschließen – und den Schlüssel aus dem Fenster zu werfen. Und nun starren wir wartend hinaus. Dabei trafen wir Vorkehrungen: Das Haar ist lang genug, wir sind ausgeschlafen. Kein Märchentrick der Welt kann uns aus der Fassung bringen, weil wir sie alle gelesen haben. Außer die Realität. Etwas, womit wir nicht gerechnet hatten. Nicht jetzt, nicht in diesem Turm.
Während wir unser Prinzessinnenkostüm, im Kleidersack vor den Motten geschützt, im Schrank verstauen, einen fixen Knoten in die Haare drehen und das sanftmütige Lächeln wieder gegen Stirnrunzeln und Zynismus eintauschen, stellt unser Gehirn eine strategische Kostenbilanz auf. Und unterm Strich wird deutlich: Unser Vermögen litt unter den Abzügen. Denn die Ansprüche des Gläubigers sind nie verschriftlicht worden. Zahlen wir mehr als einzunehmen überhaupt möglich ist? Hätten wir je ausgeschlafen genug sein können, mit Haaren so lang, dass wir eine ganze Leiter daraus hätten flechten können? Woher wissen wir, dass wir nicht immer ein bisschen overdressed sein werden, in Cinderellas Robe? Dass die gläsernen Schuhe sich nicht sonderlich eignen auf diesem unebenen Asphalt? Weil der Prinz seinen Adelstitel abgab, das Pferd verkaufte und nun in der Bar Bier für zwei fünfzig ausschenkt.
Wir glaubten fest daran, er würde nach der Spätschicht das Hemd wechseln und zu uns hinaufklettern. Doch irgendetwas kam dazwischen. Und nun stellt sich die Frage, ob Langfristigkeit und Kurzweiliges eine Ungleichheit bilden. Was uns anfangs den Tüll um die Hüften werfen ließ, wird nun zum schwarzen Loch, dessen Bedrohung uns Prinzessin Leias Laserschwert herbeiwünschen lässt.
Wir können dem miefigen Nachtleben den Rücken kehren, unseren edlen Ritter alias Tresenwirt im Zigarrenqualm stehen lassen, um auf etwas zu warten, dass mehr zum Taft und glänzenden Perlmutt passt. Oder aber wir leben damit, immer ein bisschen drüber zu sein, zu viel für die Summe x auszugeben, lassen uns eine Zigarette vom Thekennachbarn reichen und versuchen, die Ungleichung funktionieren zu lassen – das erste Mal. Denn Geben soll bekanntlich seliger sein als Nehmen, richtig?
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