Hin und wieder komme ich an den Punkt, mich zu fragen, ob
sie nicht genetisch bedingt ist: Disziplin. Denn dann könnte ich mich zwischen
langen Durststrecken der Motivation und Weinglas-hohen Stapeln ungeöffneter
Rechnungen mit medizinisch gutem Gewissen dieser Gretchenfrage entziehen. Doch
bislang forschte die Wissenschaft wohl nicht gründlich genug in diesem Bereich.
So passiert ist, dass ich mich mit der Tatsache auseinandersetzen muss, ein
nicht besonders disziplinierter Mensch zu sein. Und dieses Label kratzt
schrecklich auf der Haut!
Es ist nicht so, dass ich nicht für etwas brennen könnte.
Das kann ich. Und wenn, dann lichterloh – mit Funkenflug und ewig glimmender
Glut. Doch leider gehört das Begleichen der jährlichen Nebenkostenendabrechnung
nicht zu den Auslösern. Das soll nicht heißen, dass ich glaube, dass das
tatsächlich etwas sein könnte, das mit Euphorie zu verrichten wäre. Aber es
gibt ja durchaus Menschen, die es mit innerer Zufriedenheit erfüllt, wenn sie
hinter den Punkt „monatliche Fixkosten“ ein Häkchen setzen können. Mich machen
diese länglichen Briefumschläge mit den kleinen Adressatenfenstern missmutig.
Überhaupt ähnelt die Checkliste meines Lebens eher dem exzentrischen Moodboard
eines taiwanischen Modedesigners als einem strukturierten Marketing-Guide für
langfristige Zufriedenheit.
Und obwohl ich mir dessen sehr wohl bewusst bin, bringe ich
es nicht übers Herz, das Gekritzel in eine Reihenfolge zu bringen. An ganz
dunklen Tagen klebe ich einfach ein riesiges, mintgrün leuchtendes Post-it
darauf: „Morgen!“ Und beginne eine neue Leinwand. Dass das weder gesund für
meinen Geist, noch für meine kontinuierlich ausstehenden Lebenshaltungskosten
ist, wird klar.
Packt mich dann der große Zweifel und zieht mich an den
frisch gekurten Haaren, ist das Gejammer groß. Weil die Uhr plötzlich tickt, so
laut. Und da das Schreiben ist, das bis vor einer Woche...und der Abholschein!
Ein Paket? Verdammt, die Lagerungsfrist ist abgelaufen. In diesen Momenten
schwöre ich mir, aufmerksamer zu sein, disziplinierter. Bis es an der Tür
klingelt und durch die Sprechanlage die verführerische Einladung auf einen
Kaffee im neuen Café ertönt – den Rest mach ich dann später...
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