Samstag, 29. Mai 2010

Nur der Weg – nie das Ziel.

Eins der wohl meist zitierten Sprichwörter unserer Gesellschaft über die Philosophie des Erlangens von Glück formulierte er bereits zu Zeiten der Östlichen Zhou-Dynastie. Und dass Konfuzius ein weiser Mann war, möchte ich an dieser Stelle auch nicht in Frage stellen. Doch haben wir uns jemals wirklich den einen Moment genommen, uns mit der These über das Streben nach dem scheinbar Vollkommenen auseinanderzusetzen?
Es scheint so simpel: Der Weg ist das Ziel. Warum auch nicht? Scheitern fällt mit diesen tröstenden Worten definitiv leichter und verzweifelt Bemühte finden in ihnen die nötige Beruhigung für ihr Nichterlangen. Es klingt wie ein Schulterklopfen, ermutigt und baut auf.
Doch bei dem Versuch, den Kern dieser Aussage zu ergründen, stellte ich Gegenteiliges fest: Es schürt die blanke Angst! Angst vor dem Ende, Angst vor dem Danach und vor allem Angst vor dem allgemeingültigen Glück.
Denn was passiert wirklich, wenn wir das erreicht haben, was wir uns jahrelang erträumt, gewünscht und mit jeder Faser unseres Herzens herbeigesehnt haben? Wir empfinden es – ohne Frage. Unseren Körper durchfluten Endorphine in höchster Geschwindigkeit; es kribbelt im Bauch, das Herz schlägt schneller und die Atmung wird so flach, dass sie nahezu nichtig scheint. Doch dann? Was folgt dem Hormonrausch? 
Leere. Eine monotone, kalte und ausgelaugte Kraftlosigkeit breitet sich wie schmerzende Kontraktionen innerhalb unserer Blutgefäße aus. Wie Millionen kleinster Blutgerinnsel bahnt sich die Tatsache, das Glück nun aufgebraucht zu haben, den Weg zu unserem Herzen – bis es stillt steht. Keine Leidenschaft, keine Furcht. Keine Verzweiflung, keine zermarternde Aussichtlosigkeit. Das Gefühl der Sehnsucht stirbt. Die bedingungslose Hingabe wird schwächer und die ausnahmslose Allesinkaufnahme verblasst.
Denn haben wir das Ziel erreicht, scheint es nutzlos. Es ist existent, es ist erobert – das, was wir so lange Zeit den Inhalt unseres Lebens nannten, ist nun nichts weiter als ein faktischer Teil dessen und lässt uns nur in einem Bruchteil der Weile, die wir aufbrachten, es zu erlangen, all das Glück spüren, welches sich zuvor über eine gefühlte Dauer der Endlosigkeit erstreckte. Es war die Intensität des Empfindens, die uns reizte. Und es ist die selbige, die uns vor die bedeutsame Frage nach einer möglichen Fortsetzung stellt.
Wir haben keine Wahl. Was bleibt, ist das Anvisieren eines neuen Ziels. Das alte wird von dem einst für es errichteten Altar genommen und eine neue Heiligenfigur ziert nun unseren Opfergabentisch.
Blicken wir zurück, wird sich die Erinnerung an das vermeintlich große Glück immer mehr entfärben. Alles Wehren und Stirnbieten wird nichts nützen. Es ist erschöpft. So wie wir – auf der unermüdlichen Jagd nach dem ganz Großen.

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