Dienstag, 14. Februar 2012

Cheers


Mit Männern verhält es sich manchmal wie mit dem Lieblingsgetränk: Über die zahlreichen Bar-Abende hinweg hat man herausgefunden, auf welche Basis man besonders steht, welche Komponente das Ganze noch toppen – und ob man auf Cocktailkirschen verzichten kann oder eben nicht. Wurde man also eines Abends, völlig unerwartet und ahnungslos, von einem sagenhaften Mix an Spirituosen, Säften und schönster Deko völlig um den Verstand gebracht, möchte man nur noch ihn, den Einen. Diese eine besondere Mischung aus sauer, süß und viel zu stark, die die Ohren sausen und die Mundwinkel so beschwingt nach oben schnellen lässt.
Dann: der Morgen danach. Die Erinnerung verschwimmt, das letzte Nippen verschwindet gedanklich zwischen Nikotin und Käse-Nachos und der Abend bleibt als buntes Aquarell in unseren noch zerzausten Köpfen. Bis das Gedächtnis nur noch mickrige Überbleibsel dieser besonderen Begegnung zusammenkratzt und wir es wieder brauchen: dieses Kribbeln in der Zunge, bevor sie taub wird und die warmen Wellen, die nach dem ersten Lippenbefeuchten selbst unser Rouge noch erröten lassen. Doch was kommt? Enttäuschung. Denn was unseren Puls im Stammlokal noch vor zwei Wochen zum Rasen brachte, ist jetzt viel zu bitter, treibt uns die Tränen in die Augen und lässt uns zeitgleich panisch nach Luft schnappen. Ein guter Drink ist eben nicht zwingend ein guter Drink, nur weil alle Zutaten in ihm vereint sind – die feinfühlige Mischung macht’s.


Ich für meinen Teil bin ein großer Freund des Whiskey Sours: Da hast du etwas wirklich Starkes, etwas fast schon Fundamentales, neben dem du noch mehr Mädchen sein kannst, als es der pinke Lippenstift am Gläserrand eh schon zulässt. Dazu die Zitrone. Pur würde sie vielen von uns den blanken Schmerz ins Gesicht jagen – in Kombination mit der richtigen Menge an fast schon widerlich süßem Zuckersirup hingegen bildet das die Perfektion an geschmacklicher Berg-und-Tal-Fahrt.
Doch die Erfahrung lehrte mich, dass mir auch ein Whiskey Sour den Abend verderben kann: Indem er nur stark ist – ganz ohne süß-saurem Zungenspiel. Oder viel zu süß. Oder zu sauer. Oder – und das ist wohl der schlimmste aller Fälle – ohne Whiskey.
In der Karte finde ich ihn überall unter seinem Namen, er ist ein Klassiker. Aber es passiert nur wirklich selten, dass er mich so umhaut wie beim ersten Mal. Ich kann demnach zweifelsfrei sagen, dass ich in mehr Gläser voll Gepanschtem als gut Gemixtes hineinsah.
So laufen wir alle Gefahr, uns mit der Zeit mit den billigen Fusel-Klonen und dem verhunzten Zuckerrand einfach abzufinden. Weil wir den Unterschied nicht mehr bemerken. Und schnell vergessen wir den Grund, warum wir eigentlich immer auf die Cocktail-Happy-Hour verzichteten, um lieber einen Longdrink zu bestellen. Und beginnen zwangsweise, an viel zu Süßem oder etwas mit Wodka Gefallen zu finden.
Ich habe ihm noch mal eine Chance geben. Weil ich in alten Erinnerungen schwelgte. Oder einfach nur keine Lust mehr auf „Spanish Temptation“, „Watermelon Man“ und all die anderen Schirmchen-Variationen hatte. Ich versuchte es einfach; an dem Mahagoni-Tresen auf dem schwarzen Leder-Hocker, weil der Barkeeper so unglaublich weise aussah.
Und als ich diesen charmanten Klassiker der alten Schule im Tumbler in meiner Hand schwenkte, die Cocktailkirsche schon zwischen den Fingern zwirbelnd, wusste ich, warum ich ihn mehr mochte, als all die anderen in schillernden Chemie-Farben, mit kiloweise Tropen-Obst verziert: Weil er klassisch war. Und weil ich ihn genau so mochte. Nur hatte ich ganz vergessen, wie die richtige Mischung schmeckte.

1 Kommentar:

B.G. hat gesagt…

Es ist gut, auf einer Reise ein Ziel zu haben, auf das man zustreben kann; letztendlich jedoch ist es die Reise selbst, auf die es ankommt.
(Ursula K. Le Guin)