Mit Männern verhält es sich
manchmal wie mit dem Lieblingsgetränk: Über die zahlreichen Bar-Abende hinweg
hat man herausgefunden, auf welche Basis man besonders steht, welche Komponente
das Ganze noch toppen – und ob man auf Cocktailkirschen verzichten kann oder eben
nicht. Wurde man also eines Abends, völlig unerwartet und ahnungslos, von einem
sagenhaften Mix an Spirituosen, Säften und schönster Deko völlig um den
Verstand gebracht, möchte man nur noch ihn, den Einen. Diese eine besondere
Mischung aus sauer, süß und viel zu stark, die die Ohren sausen und die
Mundwinkel so beschwingt nach oben schnellen lässt.
Dann: der Morgen danach. Die
Erinnerung verschwimmt, das letzte Nippen verschwindet gedanklich zwischen
Nikotin und Käse-Nachos und der Abend bleibt als buntes Aquarell in unseren
noch zerzausten Köpfen. Bis das Gedächtnis nur noch mickrige Überbleibsel
dieser besonderen Begegnung zusammenkratzt und wir es wieder brauchen: dieses
Kribbeln in der Zunge, bevor sie taub wird und die warmen Wellen, die nach dem
ersten Lippenbefeuchten selbst unser Rouge noch erröten lassen. Doch was kommt?
Enttäuschung. Denn was unseren Puls im Stammlokal noch vor zwei Wochen zum
Rasen brachte, ist jetzt viel zu bitter, treibt uns die Tränen in die Augen und
lässt uns zeitgleich panisch nach Luft schnappen. Ein guter Drink ist eben
nicht zwingend ein guter Drink, nur weil alle Zutaten in ihm vereint sind – die
feinfühlige Mischung macht’s.
Ich für meinen Teil bin ein
großer Freund des Whiskey Sours: Da hast du etwas wirklich Starkes, etwas fast
schon Fundamentales, neben dem du noch mehr Mädchen sein kannst, als es der
pinke Lippenstift am Gläserrand eh schon zulässt. Dazu die Zitrone. Pur würde sie
vielen von uns den blanken Schmerz ins Gesicht jagen – in Kombination mit der
richtigen Menge an fast schon widerlich süßem Zuckersirup hingegen bildet das
die Perfektion an geschmacklicher Berg-und-Tal-Fahrt.
Doch die Erfahrung lehrte mich,
dass mir auch ein Whiskey Sour den Abend verderben kann: Indem er nur stark ist
– ganz ohne süß-saurem Zungenspiel. Oder viel zu süß. Oder zu sauer. Oder – und das ist wohl
der schlimmste aller Fälle – ohne Whiskey.
In der Karte finde ich ihn
überall unter seinem Namen, er ist ein Klassiker. Aber es passiert nur wirklich
selten, dass er mich so umhaut wie beim ersten Mal. Ich kann demnach
zweifelsfrei sagen, dass ich in mehr Gläser voll Gepanschtem als gut Gemixtes
hineinsah.
So laufen wir alle Gefahr, uns
mit der Zeit mit den billigen Fusel-Klonen und dem verhunzten Zuckerrand
einfach abzufinden. Weil wir den Unterschied nicht mehr bemerken. Und schnell
vergessen wir den Grund, warum wir eigentlich immer auf die Cocktail-Happy-Hour
verzichteten, um lieber einen Longdrink zu bestellen. Und beginnen zwangsweise,
an viel zu Süßem oder etwas mit Wodka Gefallen zu finden.
Ich habe ihm noch mal eine
Chance geben. Weil ich in alten Erinnerungen schwelgte. Oder einfach nur keine
Lust mehr auf „Spanish Temptation“, „Watermelon Man“ und all die anderen Schirmchen-Variationen
hatte. Ich versuchte es einfach; an dem Mahagoni-Tresen auf dem schwarzen
Leder-Hocker, weil der Barkeeper so unglaublich weise aussah.
Und als ich diesen charmanten Klassiker der alten Schule im Tumbler in meiner Hand schwenkte, die Cocktailkirsche schon zwischen den Fingern zwirbelnd, wusste ich, warum ich
ihn mehr mochte, als all die anderen in schillernden Chemie-Farben, mit
kiloweise Tropen-Obst verziert: Weil er klassisch war. Und weil ich ihn genau so
mochte. Nur hatte ich ganz vergessen, wie die richtige Mischung schmeckte.
1 Kommentar:
Es ist gut, auf einer Reise ein Ziel zu haben, auf das man zustreben kann; letztendlich jedoch ist es die Reise selbst, auf die es ankommt.
(Ursula K. Le Guin)
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