Manche Dinge eignen sich ganz besonders dazu, sie vor sich herzuschieben: der Abwasch, die Wäsche, der Weg zur Post. Doch spätestens dann, wenn wir keine sauberen Weingläser mehr finden und der Wonderbra zu einer Belanglosigkeit wie dem wöchentlichen Lebensmitteleinkauf ausgeführt wird, haben wir die Wahl: Wir können aus der Flasche trinken und unsere Brüste dem anabolen Supermarktkassierer unter die Nase quetschen. Oder zur Post gehen, um endlich diesen verdammten Brief abzuholen.
Der Regelfall verhält sich wie folgt: Es vergehen Tage, manchmal sogar Wochen, bis ich die Zeit, Lust und nötige Neugier zusammenhabe, um mich in der Poststelle nach dem Verbleib meiner Sendung zu erkundigen. Sind es doch nur in den seltensten Fällen Schriften, deren Inhalt mich überraschen. Eigentlich handelt es sich meist um die üblichen Laster: Rechnungen, deren Erinnerungsschreiben und deren Mahnungen. Auch diesmal war es verwechselnd ähnlich. Nur durchlief der Brief sogar eine Vielzahl an Zustellungsversuchen. Doch alles Falten, Knüllen und Zwängen nützte nichts. Genauso wenig wie das Klingeln des Postboten. Denn mein Briefschlitz behielt seine zu kleinen Maßen und ich war zu beschäftigt, abgelenkt oder gerade dabei, meine innere Mitte zu finden – und dabei alle äußerlichen Wahrnehmungen auszublenden. Erfolgreich.
Es hat eine ganze Weile gedauert, bis mich endlich das Schwarz-auf-Weiß erreichte. Den Absender kannte ich. Und es war keine Rechnung oder Mahnung. Aber eine Erinnerung. Und zwar daran, mich zu erinnern. Und es nicht mehr vor mir herzuschieben.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen