Wir wissen nicht, was wir hatten, bis wir es nicht mehr haben?
Davon bin ich nicht überzeugt.
Ist doch das Verlust-Gefühl nur das Symptom eines Mangelzustandes: Wie bei einem langanhaltenden Überkonsum alias uneingestandenes Suchtproblem setzen die ersten Erscheinungen des Entzugs sehr bald schon nach dem Absetzen der Substanz ein. Und das nicht aus dem Grund, unsere innere Stimme aufschreien zu lassen, die uns folglich von der Wichtigkeit und Besonderheit des nun nicht mehr Existenten zu überzeugen versucht, sondern allein aus niederen kausalen Bestimmungen der Abhängigkeit. Weil wir uns über den Zeitraum hinweg daran gewöhnt hatten; unsere Hochs und Tiefs mithilfe dessen durchstanden, weil es uns an den richtigen Stellen betäubte und an den noch viel wichtigeren dieses Kribbeln verursachte.
Und hätten wir nicht bereits währenddessen bemerkt, dass es ist, so wüssten wir nicht, was wir vermissen würden. Also kann ein nachträgliches Sehnen nicht wahrhaftig sein, waren wir uns nicht schon vor dem Verschwinden des zu Vermissenden bewusst.
Ähnlich verfälscht hält es sich mit der Glorifizierung dessen, was nicht mehr ist. Während wir im aktiven Sein-Zustand bereits nur begrenzt fähig sind, es zu charakterisieren und werten, wird es mit seinem Verlust quasi unmöglich, objektiv über Pros und Contras zu entscheiden. Wie auch? Ist das zu Beurteilende doch nicht mehr greifbar.
Die Grenze zwischen Gutem und Schlechtem verwischt mit der voranschreitenden Zeit - so sehr, dass wir Gefahr laufen, das Negative nicht mehr als solches erkennen zu können. Dann beginnt die Kreation einer völlig neuen und eigenständigen Gedankenwelt, gespickt mit Gefühlen, Visionen, Hätte und Wenns, mit naivem Augenverschließen und schwachsinnigem Endlos-Hoffen.
Ehe wir uns versehen, hängen wir an Unnötigem, verteidigen Gedankenloses und finden uns in einem Kreislauf wieder, den zu durchbrechen unmöglich scheint. Aber das wussten wir ja.
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